Ungestörter Verkauf trotz Pandemie:„Ghost Shell Insurance“ eröffnet neue Wege

Eine neue Perspektive auf die Vermarktung von Versicherungen im Corozän.

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Wir Menschen sind bekanntlich sehr unterschiedlich. Manche von uns werden aufgrund des ewigen Hin und Her mit den Covid-19 Virus-Mutationen, den Inzidenz-Verläufen und den unbefriedigenden Impfstatistiken depressiv und stecken den Kopf in den Sand. Andere wiederum lassen sich davon nicht unterkriegen, entfalten sogar eine Jetzt-erst-Recht-Mentalität und sehen die neue Lage als Chance. Auch auf Seite der Unternehmen, die von der Krise entweder benachteiligt werden oder von ihr profitieren, ist Ähnliches zu beobachten: neue Geschäftsmodelle entstehen.

Reef Technology, ein Start-up aus San Francisco, hat zum Beispiel den Trend zur Ghost Kitchen mitbegründet und mit einem modularen Ansatz die Nutzung von Parkplätzen für die Zubereitung von Speisen in Containern ermöglicht. Man bestellt bei einem virtuellen Restaurant sein Essen, holt es ab oder lässt es liefern und verzehrt es noch unterwegs oder entspannt zuhause. Das Thema lief schon vor der Pandemie ziemlich gut, jetzt ist der Zuspruch noch um ein vielfaches größer. Das Container-Business wurde von Reef Technology auch schon auf andere Geschäftsmodelle übertragen und eröffnet noch zahlreiche weitere Möglichkeiten in den Bereichen, wo doch nicht alles gänzlich digitalisiert werden kann und die „Schnittstelle“ Mensch noch unverzichtbar ist.

Beim Thema Food in Verbindung mit dem Homing-Trend wird der Nutzen schnell verständlich, aber welches Potential steckt in all denen, die zwar den Kopf nicht völlig in den Sand stecken, aber doch einigermaßen verunsichert sind? Versicherungsexperten haben herausgefunden, dass zwei Produkt-Arten seit Ausbruch der Pandemie besonders nachgefragt werden. Erstens werden Absicherungen wie beispielsweise Rechtsschutz oder Krankenzusatzversicherungen insbesondere bei jüngeren Zielgruppen noch relevanter, so das Ergebnis einer Studie der ARAG Versicherung. Das zweite große Thema ist die  persönliche (Alters-)Vorsorge, da die Zukunft für viele Menschen in Pandemiezeiten als immer diffuser und unberechenbarer wahrgenommen wird. Gefordert sind jetzt die Versicherer, denn eigentlich sind die Bedingungen durch Corona gerade für sie so günstig wie nie. Die Pandemie schickt die Menschen direkt zu ihnen, sie wünschen sich Hilfe und Beratung, ohne schon genau wissen, was sie genau brauchen und wo sie es suchen müssen.

Folgende Fragen stellen sich daher aus Marketing-Sicht:

1. Das Produktdesign. In diesem Fall geht es vorrangig um das Paketieren zueinander passender Leistungen. Macht es wirklich Sinn, so viele einzelne Versicherungsleistungen individuell nach Thema zu vermarkten oder müsste nicht vielmehr eine sinnvolle Bündelung erfolgen? Hier könnte beispielsweise ein „Basis-Care-Paket“ die grundsätzlichen Gefahren des Lebens abdecken, ergänzt durch verschiedene Ausbaustufen von „Fortgeschrittenen-Paketen“, die eine erweiterte Spezialisierung bzw. Vertiefung von Leistungen ermöglichen. Doch wie sieht es bei  der Lebensversicherung aus, die aus unterschiedlichen Gründen stark an Image verloren hat und in die Jahre gekommen ist? Wie kann man sie wiederbeleben und zeitgemäß konfigurieren? In einem Strategie- bzw. Ideation-Workshop würden wir vielleicht auf ein Gedankenspiel wie „Ghost Shell Insurance“ kommen. Metaphorisch wie eine Muschel, die den Kunden einen gewissen Schutz bietet.

2. Der Marketingkanal. Das Versicherungsgeschäft mit seinen klassischen Versicherungsmaklern, die die Menschen weniger beraten sondern gefühlt etwas aufschwätzen wollen, wird sicherlich von vielen noch immer als unangenehm empfunden. Die Jüngeren weichen auf die Direktangebote im Internet aus, da sie kein Büro mehr betreten wollen. Dabei müssen sie sich aber bereits ziemlich genau überlegen, was sie wollen. Alle anderen, die doch lieber die persönliche Beratung vorziehen, gehen im Zweifel leer aus oder bekommen nicht das richtige Produkt. Darum wäre in unserer skizzierten „Ghost Shell Insurance“ ein „Container-Drive-In“ denkbar, wo man ähnlich wie bei einer Impfung vor Ort gegen die Risiken des Lebens versichert werden kann. Kurz: die Versicherung, die nah bei den Menschen ist und mit der man in neuer Umgebung in Kontakt treten kann.

3. Die Kommunikation. Darüber hinaus könnte eine eigene, offene Social-Media-Plattform der „Ghost Shell Insurance“ den Menschen ohne Verkaufsdruck Informationen zugänglich machen und ihnen die Möglichkeit bieten, sich in speziellen Foren mit Experten und anderen Kunden vertiefend auseinanderzusetzen. Der große Vorteil dabei wäre, dass der Austausch auf Augenhöhe und in ungezwungener Atmosphäre stattfände. Eine solche Kommunikationsform birgt die Chance,  dass dem Kunden die Angst vor dem vermeintlich sperrigen Thema genommen wird und das Ganze im besten Fall sogar noch Spaß macht!

Michael Moser | Co-CEO Shanghai.Berlin

Illustration von Ann Kathrin Damm.

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  • Joachim Litwin says:

    Hallo Herr Moser,

    ehrlich gesagt verstehe ich das noch nicht richtig. Wo ist denn der Vorteil, anstelle vom Gang in die Versicherungsvertretung einen Gang auf den Marktplatz zum „fliegenden“ Versicherungshändler zu wählen???
    Gerne können wir dazu noch in den Austausch gehen.

  • Michael says:

    Lieber Herr Litwin,

    wenn Kunden eine Barriere haben in die Versicherungsvertretung zu gehen, könnte man dem ganz einfach entgegenwirken indem man entweder eine physische Kontaktmöglichkeit schafft, die die gefühlte Schwelle reduziert oder die Customer Journey in einen digitalen Raum leitet, der ungezwungenen Austausch erlaubt.

    Lassen Sie uns das gerne vertiefen.

    Beste Grüße
    Michael Moser

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